Avocados Kern
Das Universum des Eugeniusz Józefowski in Wiesbaden VON DOROTHEE BAER-BOGENSCHÜTZ Eigentlich wollen seine Bilder ja aus der Nähe betrachtet werden - aber fernsehtauglich sind sie ebenfalls. Beim Anblick des Miniatur-Personals, das nach wenig transparenten Spielregeln zeichenhaft in bevorzugt leuchtend rot oder grün angelegte Farbgründe eingeblendet ist und sich nicht weiter erklärt, assoziiert jeder Kunst. So kam es auch, dass Figuren von Eugeniusz Józefowski einst beim Promi-Talk mit Sportsmann Michael Steinbrecher über den Bildschirm flimmern durften. Die Regie verlangte ein wohnliches Ambiente mit Accessoires gehobenen Geschmacks. Für die Serie mit Steinbrecher und Gästen entlieh das ZDF also Arbeiten des polnischen Künstlers bei Sibylle von Oppeln-Bronikowski. Fasziniert von seiner Symbolsprache und Palette hatte die Galeristin, zunächst einmal noch gar nicht als Händlerin aktiv, bei Polen-Besuchen immer wieder Józefowski gekauft, ohne ihn zu kennen. Erstmals machte sie das Wiesbadener Publikum dann vor neun Jahren in der Villa Clementine mit ihm bekannt, nunmehr stellt sie ihn schon zum vierten Mal aus. In der Galerie Pokusa, Wiesbadens "Polnischem Kultursalon", enthüllt der polnische Maler, der bei Breslau lebt und unter anderem an der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznan (Posen) arbeitet, tragende Säulen seines Universums. Dessen Kern ist ein kleines grünes Ding mit hartem Kern. Eine Avocado. Aus ihr keimt ein Großteil von Józefowskis Kunst. Die Avocado eignet sich als Stilllebenmotiv, aber auch als Ausgangsfigur surrealistischer Exkurse und für verschiedenste Metamorphosen. Variationen über das Thema Avocadokern nennt der Künstler (Jahrgang 1956) ein programmatisches Gemälde und gibt - mit einem anderen Bildtitel - zu verstehen: "Es ist Wahnsinn, eine wechselnde Form für dauerhaft zu halten." Somit betreibt er seine morphologisch-philosophischen Studien und packt in ein Ölbild die Wanderung und ständige Analyse des Ähnlichen der Avocado und des Tränchens. Das ist Józefowskis Trick: Bestimmte Grundformen liefern seiner Weitschweifigkeit jede Menge Nahrung. "Meine Bilder haben viel mit mir und meiner Geschichte zu tun", erklärt der Maler. Wiesbaden kennt er gut. Hier hat er bei einem Aufenthalt 1989 ein Tagebuch geführt, das mehr Skizzen denn Worte umfasst, als Grundlage vieler jüngerer Arbeiten diente - bis in das laufende Jahr hinein - und das früheste Werk in der aktuellen Ausstellung ist. Den Menschen begreift Józefowski oft als Vereinzelten, als in sich gekehrten Träumer oder harlekineske Figur. Mit feiner Ironie stellt er uns eine meditierende (?) Gestalt mit merkwürdig verdrehten Gliedmaßen vor: Zweifellos eine sinnlose und unbequeme Position. Alle seine Schöpfungen tragen Titel. Vornehmlich der Farbe und ihrer Wirkung verpflichtet sind einige hochrechteckige Arbeiten auf handgeschöpftem Papier, die Felder und Flure assoziieren lassen. "Das ist meine Heimat", sagt Herr J. Uns erscheint sie fremd wie seine Kunst. Vielleicht versteht diese Dinge, wer Polen kennt. Für den Rest ist trotz des EU-Beitritts noch manches Fleckchen terra incognita zu beackern. Lassen sich doch die individuellen Mythologien, die im Lande Roman Polanskis so gut zu gedeihen scheinen, kaum so leicht freilegen wie das Fleisch der Avocado. Galerie Pokusa, Albrechtstr. 40 in Wiesbaden: bis 4.9., Mi./Fr. 17.30-19.30 Uhr, Sa. 15-17 Uhr, www.pokusa.de (Frankfurter Rundschau, 30.07.2004) |